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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 30.07.2007
Aktenzeichen: 15 W 156/07
Rechtsgebiete: PStG, IFG-NRW
Vorschriften:
PStG § 61 | |
IFG-NRW § 4 |
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS
15 W 156/07 OLG Hamm
In der Personenstandsache
hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 30.07.2007 auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 05.04.2007 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hagen vom 09.03.2007
beschlossen:
Tenor:
Die weitere Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Wertfestsetzung der Vorinstanzen abgeändert wird.
Der Gegenstandswert beträgt in allen Instanzen 300,-- Euro.
Gründe:
I.
Die Beteiligte zu 1) hatte der verstorbenen Frau Q eine Wohnung vermietet. Nach deren Ableben räumte ihr Stiefsohn die Wohnung und gab die Schlüssel an die Beteiligte zu 1) zurück. In der Folgezeit machte die Beteiligte zu 1) eine Nachforderung aus einer Betriebskostenabrechnung gegenüber dem Stiefsohn geltend. Dieser wies die Forderung unter Hinweis darauf, dass er nicht der Erbe sei, zurück und ließ schließlich über seine Anwälte mitteilen, dass die Erben nach seinem Kenntnisstand in Italien wohnhaft seien. Nachfragen der Beteiligten zu 1) beim Nachlassgericht blieben ergebnislos.
Die Beteiligte zu 1) hat daraufhin bei dem Standesbeamten beantragt, Einsicht in die Sammelakten zu dem Sterbefall zu erhalten, um so die Erben ermitteln zu können. Die Einsichtnahme wurde ihr verweigert. Ihren Antrag, den Standesbeamten zur Gewährung von Akteneinsicht zu verpflichten, soweit dies zur Ermittlung der Erben erforderlich sei, hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1) mit der weiteren Beschwerde, mit welcher sie insbesondere geltend macht, die Vorinstanzen hätten die Vorschriften des IFG-NRW sowie ihr Grundrecht auf Informationsfreiheit nicht hinreichend berücksichtigt.
II.
Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 49 Abs.1 S.2 PStG, 27, 29 FGG statthaft sowie formgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) ergibt sich bereits daraus, dass ihre Erstbeschwerde ohne Erfolg geblieben ist.
In der Sache ist die weitere Beschwerde unbegründet, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht, § 27Abs.1 FGG. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde der Beteiligten zu 1) ausgegangen.
Verfahrensrechtlich unbedenklich haben die Vorinstanzen die Rechtswegzuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit nach Maßgabe des § 45 PStG bejaht, auch soweit die Beteiligte zu 1) einen Anspruch aus § 4 Abs.1 IFG-NRW geltend macht. Zwar handelt es sich insoweit zweifelsfrei um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch, für den grundsätzlich der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist (vgl. OVG Münster NWVBl. 2006, 295f). § 45 PStG ist jedoch eine ausdrückliche anderweitige bundesgesetzliche Zuständigkeitsnorm im Sinne des § 40 Abs.1, 2.HS VwGO, die jegliche Amtshandlungen des Standesbeamten erfasst (vgl. auch Ehlers in Schoch u.a., VwGO, 13.Erg. 2006, § 40 Rdn.650).
In der Sache hat das Landgericht einen Anspruch der Beteiligten zu 1) auf Einsichtnahme in die Sammelakten in dem von ihr begehrten Umfang rechtsfehlerfrei verneint.
Es entspricht der völlig einhelligen Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung, dass § 61 PStG keinen Anspruch auf die Einsicht in die Sammelakten zu einem bestimmten Personenstandsvorgang begründet, da die Norm nur die Einsichtnahme in die Personenstandsbücher selbst betrifft (OLG Düsseldorf StAZ 1989, 10; OLG Celle StAZ 1998, 81; OLG Schleswig StAZ 2005, 141; OLG Braunschweig NJW-RR 1990, 268). Inwieweit sich aus allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungshandelns in Anlehnung an die verwaltungsinterne Vorschrift des § 48 der Dienstanweisung (DA) für die Standesbeamten ein Anspruch auf Einsicht in solche Bestandteile der Sammelakten ergeben, die unmittelbar der Erhebung des Personenstandfalls dienten, wenn die Voraussetzungen des § 86 DA und damit letztlich diejenigen des § 61 PStG erfüllt sind, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, da die Beteiligte zu 1) gerade eine darüber hinausgehende Einsichtnahme begehrt.
Auch § 4 Abs.1 IFG-NRW gibt der Beteiligten zu 1) keinen Anspruch auf Einsichtnahme in die Sammelakten. Ein solcher Anspruch scheitert an § 4 Abs.2 S.1 IFG, nach welchem anderweitige Rechtsnormen, die den Zugang zu bei Behörden vorhandenen Informationen regeln, den Bestimmungen des IFG vorgehen. Allerdings darf § 4 Abs.2 S.1 IFG nicht dahingehend verstanden werden, dass jede bereichsspezifische Regelung über den Zugang zu behördlichen Informationen den Anspruch aus § 4 Abs.1 IFG ausschließen würde. Es bedarf vielmehr einer Auslegung der jeweiligen bereichsspezifischen Vorschrift dahingehend, ob sie nach ihrem Regelungsgehalt und Zweck eine abschließende Regelung des Zugangs zu den bei der Behörde vorhandenen Informationen darstellen soll (OVG Münster NJW 2005, 2038f). Eine besondere Rechtsvorschrift im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW liegt daher nur dann vor, wenn ihr Anwendungsbereich in sachlicher Hinsicht wegen spezifischer Anforderungen an die Informationen, die der Rechtsvorschrift unterfal-len, und/oder in persönlicher Hinsicht wegen spezifischer Anforderungen an die Personen, auf welche die Rechtsvorschrift Anwendung findet, beschränkt ist (OVG Münster a.a.O.).
Der Senat legt § 61 PStG dahingehend aus, dass er den Zugang zu den bei den Standesämtern vorhandenen Informationen, soweit sie sich auf konkrete Personenstandsfälle beziehen, abschließend regelt, gleichgültig, ob sich diese Informationen aus den Personenstandsbüchern selbst oder den ihnen unmittelbar zugeordneten Sammelakten ergeben. Wortlaut und Regelungsgehalt des § 61 PStG lässt sich die gesetzgeberische Intention entnehmen, den Zugang zu Personenstandsdaten in sachlicher Hinsicht zu begrenzen und auf den Bereich zu beschränken, an dessen Zugänglichkeit ein überwiegendes Drittinteresse besteht. Dieser Regelungsgehalt lässt sich nach heutigem verfassungsrechtlichen Verständnis zwangslos damit rechtfertigen, dass Personenstandsdaten aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung (vgl. §§ 68, 16ff, 25, 32, 34 PStG) erhoben werden, mithin einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art.2 Abs.1 GG) darstellen, und zudem einen engen Bezug zur Privatsphäre und zwar zumeist zum sog. Kernbereich derselben aufweisen, die einer staatlichen Einflussnahme und Ausforschung nach Art. 1 und 2 GG weitgehend entzogen ist. Der grundrechtliche Schutz der Privatsphäre versteht sich nämlich nicht allein räumlich, sondern auch thematisch dergestalt, dass solche Angelegenheiten, die gemeinhin als "privat" gelten, einem Zugriff der Öffentlichkeit auch von Rechts wegen entzogen sind (vgl. BVerfG NJW 2000, 2194). Da andererseits ein unabweisbares Bedürfnis besteht, die mit bestimmten Rechtsfolgen verknüpften Personenstandfälle zu erheben und auch den durch die Rechtsfolgen Betroffenen zugänglich zu machen, löst § 61 PStG das insoweit bestehende Spannungsverhältnis dahingehend, dass die Informationsfreigabe sich einerseits nur auf die Personenstandinformationen i.e.S. bezieht und die Zugänglichkeit andererseits vom Vorliegen eines konkreten behördlichen oder privaten rechtlichen Interesses abhängig ist. Diese fachbereichsspezifische Regelung widerstreitender Interessen lässt die Regelung bezogen auf § 4 Abs.2 IFG als abschließend erscheinen.
Dies gilt auch, soweit die Einsichtnahme in die Sammelakten des Standesbeamten in Frage steht. Hierzu steht die Aussage, dass § 61 PStG die Einsichtnahme in die Sammelakten selbst nicht regelt, in einem nur vordergründigen Widerspruch. Die Frage ist hier nämlich nicht, ob § 61 PStG einen Anspruch auch auf die Einsichtnahme in die Sammelakten begründet, sondern ob die Vorschrift eine abschließende Regelung beinhaltet, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Personenstandsinformationen überhaupt zugänglich sind. Letzteres ist schon deshalb zu bejahen, weil es bei der o.a. datenschutzrechtlichen Zielsetzung des Gesetzes ein absurdes Ergebnis wäre, wenn das Gesetz den Zugang zu den Personenstandseinträgen, also den entsprechend dem gesetzlichen Zweck erhobenen Informationen, von der Darlegung eines rechtlichen Interesses an gerade diesen Informationen abhängig macht, daneben jedoch ein landesrechtlicher, von keinerlei sachlichen Voraussetzungen abhängiger Informationsanspruch bezogen auf die Sammelakten bestünde, der dem Antragsteller nicht nur mittelbar dieselben Informationen wie die in den Personenstandseinträgen dokumentierten, sondern - wie hier begehrt - darüber hinausgehend noch weitergehende Informationen verschaffen könnte. Hieraus ist zu schließen, dass § 61 PStG, wenn er als Spezialnorm die Anwendbarkeit des IFG auf die Personenstandsbücher sperrt, dies erst Recht für die den Einträgen unmittelbar zugeordneten Sammelakten gelten muss.
Entgegen der Auffassung der weiteren Beschwerde ergibt sich auch aus Art.5 Abs.1 S.1, 2.HS. GG kein Anspruch auf Einsichtnahme in die Sammelakten. Behördenakten sind grundsätzlich keine allgemein zugänglichen Quellen im verfassungsrechtlichen Sinne (BVerfG NJW 1986, 1243).
Die Wertfestsetzung für das Verfahren der weiteren Beschwerde beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO. Da der Informationsanspruch lediglich der Durchsetzung der von der Beteiligten zu 1) angegebenen Nebenkostennachforderung in Höhe von 348,65 Euro dienen soll, kommt lediglich die Festsetzung eines Wertes von 300,-- Euro in Betracht. Dementsprechend hat der Senat gleichzeitig gem. § 31 Abs. 1 S. 2 KostO von Amts wegen die Wertfestsetzungen beider Vorinstanzen abgeändert.
Ende der Entscheidung
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